
Leseprobe aus der CD-ROM "Superfrauen: 14 Bücher auf einer CD-ROM" von Ernst Probst:
Als erste Frau im Team der beliebtesten Nachrichtensendung „Tagesschau“ des „Ersten Deutschen Fernsehens“ der „Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands“ (ARD) und als deren erste Chefsprecherin ging Dagmar Berghoff in die TV-Geschichte ein. Ersteren Rekord stellte sie 1976 als 33-Jährige und letzteren 1995 im Alter von 52 Jahren auf.
Dagmar Berghoff kam mitten im Zweiten Weltkrieg am 25. Januar 1943 als Tochter eines technischen Kaufmanns in Berlin zur Welt. 1946 zog sie mit ihrer Familie nach Ahrensburg bei Hamburg in Schleswig-Holstein und 1957 nach Harburg bei Hamburg. In letzterem Ort besuchte sie das „Lyzeum am Soldatenfriedhof“.
Deutsch, Französisch und Geschichte sind Dagmar Berghoffs Lieblingsfächer gewesen. „In Mathe musste ich vorne gezogen und hinten geschoben werden“, erzählte sie später. Ihre Zwei in Deutsch hätte sie gerne gegen ihre Vier im Sport getauscht. Rauchen und enge Pullis waren während ihrer Schulzeit nicht erlaubt. Die Mädchen durften sich nur zaghaft schminken.
1962 legte Dagmar Berghoff im „Lyzeum am Soldatenfriedhof“ unter ungewöhnlichen Umständen ihre Reifeprüfung ab. Die Hamburger Flutkatastrophe vom 17. Februar jenes Jahres bewahrte sie vor der mündlichen Prüfung in Englisch. Im Lyzeum gab es keinen Strom, es war bitterkalt, und es wurde nur bis 13 Uhr geprüft. Bevor die 19-Jährige an die Reihe kam, wurde ihre Schule für 300 Obdachlose geräumt. Ihre Zwei in Englisch betrachtete sie ehrlicherweise als „geschenkt“.
Von 1964 bis 1967 studierte Dagmar Berghoff an der „Hochschule für Musik und Darstellende Kunst“ in Hamburg. Nach einem kurzen Engagement als Schauspielerin in Tecklenburg (Westfalen) arbeitete sie beim „Südwestfunk“ (SWF) in Baden-Baden als Fernsehansagerin, Moderatorin und Hörfunksprecherin. Außerdem trat sie als Schauspielerin im Theater und im Fernsehen auf.
1975 kehrte Dagmar Berghoff nach Hamburg zurück, wo sie zusammen mit dem Redakteur Dr. Andreas Wang zehn Jahre lang in einer Altbauwohnung an der Alster lebte. Mitte April 1976 lud „Tagesschau“-Sprecher Karl-Heinz Köpcke (1922–1991) sie zu Probeaufnahmen ein, weil ihm die Stimme gefallen hatte, die die Hörfunksendung „Von neun bis halb eins“ des „Norddeutschen Rundfunks“ (NDR) moderierte.
Die „Tagesschau“-Redaktion suchte schon seit längerem eine Sprecherin. Bereits 1971 glaubte man, eine geeignete Kandidatin gefunden zu haben. Doch dann kam das „Zweite Deutsche Fernsehen“ (ZDF) in Mainz 1971 mit Wibke Bruhns zuvor, und die Hamburger wollten nicht nachziehen. Von Anfang bis Mitte April sind nahezu 30 Damen zu Probeaufnahmen ins Studio der „Tagesschau“ gekommen.
Bei dem Test von Dagmar Berghoff las Karl-Heinz Köpcke zuerst die üblichen 16.15-Uhr-Nachrichten. Anschließend erhielt Dagmar Berghoff denselben Text und präsentierte ihn. Das Ganze wurde aufgezeichnet und zunächst im kleinen Kreis und später vor der versammelten Redaktion abgespielt. „Tagesschau“-Chefredakteur Hartwig von Mouillard gelangte zu dem Urteil, die neue Kandidatin mache einen „ganz ausgezeichneten Eindruck“.
Danach kam Dagmar Berghoff noch einmal zum Probesprechen. Dann hatte sie es geschafft. Man holte sie als erste Frau ins Team der „Tagesschau“. Anfangs wurde sie bei den Nachrichtensendungen am Nachmittag um 16.15 Uhr eingesetzt, doch bald auch während der Hauptsendung ab 20 Uhr am Abend. Ihre ersten „Tagesschau“-Honorare als freie Mitarbeiterin richteten sich je nach der Länge einer Sendung. Einem Pressebericht zufolge erhielt sie für die 20 Uhr-Sendung ungefähr 135 Mark (1998: 359 Mark). Seit dieser Zeit las sie die Tageszeitungen häufiger und intensiver als vorher.
Die neue „Tagesschau“-Sprecherin erklärte gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“, sie wolle natürlich keine graue Maus werden. Trotzdem würde sie künftig vor der Kamera Blusen, Jacken oder Pullover tragen, die „im ganzen ruhig sind“. Sie fügte hinzu, die Kleidung müsse so dezent sein, dass sie auf keinen Fall von den Nachrichten ablenke.
Bald profilierte sich die 1,65 Meter große Blondine mit graugrünen Augen zur bekanntesten und beliebtesten deutschen Nachrichtensprecherin. Nebenher moderierte Dagmar Berghoff große TV-Musiksendungen („ARD-Wunschkonzert“), war bei der „NDR-Talkshow“ dabei, wünschte im SWF-Hörfunk „Gute Laune aus Südwest“, präsentierte die NDR-„Plattenkiste“ und führte TV-„Interviews mit den Großen dieser Welt“.
Das „ARD-Wunschkonzert“ ist von Dagmar Berghoff und Max Schautzer von Januar 1984 bis Oktober 1992 präsentiert worden. Die Liste der Künstler, die sich in dieser Zeit bei „Miss Tagesschau“ und Schautzer ein Stelldichein gaben, liest sich wie ein Lexikon des internationalen Showgeschäfts. Darunter waren Operettenstars wie Rudolf Schock, Anneliese Rothenberger und Deborah Sasson bis hin zu Rock- und Popstars wie Engelbert, Al Bano, Romina Power, Ute Lemper, David Hasselhoff, Kim Wilde und Joe Cocker.
1980 und 1990 wurde Dagmar Berghoff mit dem „Bambi“ des Burda-Verlages ausgezeichnet. 1987 verlieh ihr die Zeitschrift „Hörzu“ die „Goldene Kamera“.
Am 16. Mai 1991 heiratete Dagmar Berghoff den Chirurgen Dr. Peter Matthaes, der damals als Chefarzt am „Israelitischen Krankenhaus“ in Hamburg wirkte. Trotzdem behielt sie ihren Familiennamen Berghoff und erklärte hierzu nach der standesamtlichen Trauung in Hamburg-Eimsbüttel, das erspare ihr doch eine Menge Lauferei.
Im Januar 1995 ernannte man Dagmar Berghoff als Nachfolgerin für den an einem Gehirntumor erkrankten Werner Veigel (1928–1995) zur Chefsprecherin der ARD-„Tagesschau“. Damit gelangte erstmals eine Frau an die Spitze des Sprecherteams. In ihrer Freizeit entspannte sie sich bei Gesprächen mit Freunden, Reisen und beim Spieluhren-Sammeln.
Am 31. Dezember 1999 um 20.15 Uhr schloss sich für Dagmar Berghoff das Kapitel „Tagesschau“. Nach mehr als 23 Jahren im Dienst der Redaktion „ARD aktuell“ verabschiedete sich die 56-jährige Nachrichten-Lady von ihrem Publikum.
Dagmar Berghoffs Mann Peter Matthaes war bereits im Frühjahr 1998 mit 63 in den Ruhestand gegangen. Der Chirurg und Krebsspezialist starb am 29. Januar 2001 an Bauchspeicheldrüsenkrebs.
*
Bestellungen der CD-ROM "Superfrauen: 14 Bücher auf einer CD-ROM" bei:
http://www.buch-shop-mainz.de
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen